Podium: «Demokratischer und nachhaltiger Städtebau am Bsp. Gaswerkareal»

17.00 bis 19.00 Uhr, In der Dampfzentrale

Ablauf

Begrüssung: Max Gnant aus der Anstadt
Intro: Lena Käsermann vom Gaskessel erläutert kurz die bisherige Geschichte des Gaswerkareals und der aktuelle Stand der Planung zur Überbauung

Podium

Fragen aus dem Publikum

Podium mit

Moderation: Noah Pilloud
Fabian Bauer – Gesamtleitung Stadtentwicklung Gaswerkareal
Lena Käsermann – Co-Leitung Gaskessel
Stefan Zöllig – Holzbau-Pionier und Ingenieur
Michael Sutter – Stadtrat SP
Martin Schick – Genossenschaft Kalkbreite, IG Klimagenossenschaft, ZHdK (künstlerische Forschung zum Potential von permanenten Brachen)

Weshalb veranstaltet die Anstadt ein Podium zum Gaswerkareal?

Wir sehen seit längerem eine Verdrängung sowohl von Freiräumen als auch von grossen  zusammenhängenden Grünflächen mit hoher Biodiversität im urbanen Raum Bern. Wir möchten für den Wert solcher Räume sensibilisieren und zum Nachdenken anregen. Wir wollen öffentlich diskutieren, wie leichtfertig oder eben weitsichtig solche Flächen bebaut werden können und sollen. Es erscheint uns wichtig, über eine Überbauung auf einem so zentralen und geschichtsträchtigen Gelände wie dem Gaswerkareal eine breite Diskussion zu führen: Sie wird die Stadt Bern der Zukunft mitprägen. Zudem ist die Anstadt durch die Überbauung des Gaswerkareals direkt bedroht. Dazu folgend ein Text aus der Anstadt:

Einleitung

Bern (wie alle Schweizer Städte und grosse Teile der Welt im Allgemeinen) wird zunehmend von Privateigentum und -interessen, sowie Konsum-Räumen beherrscht. Hinter den (Beton-)Fassaden dieser Stadt scheint Geld und Profit als zentraler Wert immer wichtiger zu werden. Währenddessen werden das gute Leben, Begegnungs- und Freiräume in die Peripherie verdrängt. Die Ausrichtung auf Konsum und Wachstum ist jedoch genau das Gegenteil davon, was nötig wäre, um den sich stetig verschärfenden globalen Krisen wie der Klimakrise zu begegnen. Diese gibt es erst aufgrund der Profitlogik im Kapitalismus. Infolgedessen wird die Stadt Bern unter anderem in zehn Jahren auf das Klima von Mailand erhitzt. In diesem Kontext ist es dringend nötig, die Frage zu stellen, wie eine zukunftsfähige und lebenswerte Stadt gestaltet werden muss?! Um diese Frage soll es am Podium am 18.Mai gehen. Wo gibt es Raum, Alternativen zu diesem kurzsichtigen System im kleinen (oder grossen) Rahmen auszuprobieren und zu (er-)leben? Wo können sich Menschen begegnen, ohne etwas kaufen oder konsumieren zu müssen? (Degrowth – es braucht weniger Konsum). Wo können Menschen Kultur schaffen oder daran teilnehmen, wenn sie aufgrund zum Beispiel hoher Mieten kein Geld dafür ausgeben können? Wo können Auseinandersetzungen mit ungerechten und lebensfeindlichen Strukturen stattfinden? Wie wird Infrastruktur geschaffen, die den Menschen und ihrer psychischen Wohlbefinden dienen, und nicht dem Profit? Wie wird nachhaltig gebaut?

Freiraum als unkommerzieller Raum

Die Anstadt ist nicht die Antwort auf diese Fragen, aber eine Suche nach Antworten. Sie ist ein Raum, in dem es möglich ist, zu experimentieren, Neues auszuprobieren und andere Wege zu gehen als im Rest der Stadt. Deshalb heisst sie auch An-stadt. Damit schafft sie es, eine grosse Menge an Menschen anzuziehen und damit zu inspirieren, dass es Alternativen zu den zerstörerischen funktionsweisen des Konsum-Kapitalismus gibt. Kinder und Jugendliche realisieren bei Führungen hier beispielsweise, dass es nicht nur den einen vorgefertigten Karriere-weg gibt. Es erscheint in nächster Zeit ein Buch und ein Dokumentarfilm über die Anstadt, die eine breitere Öffentlichkeit erreichen werden. Wir arbeiten mit verschiedenen Medien und zusammen mit unseren Nachbar*innen an der Sichtbarkeit alternativer Gehversuche in der Anstadt. 

Zwei wichtige Grundsätze der Anstadt sind, dass mehr als die Hälfte des Platzes öffentlich zugänglich sind; und dass alles, was hier stattfindet, unkommerziell sein muss (das heisst Gratis oder auf Kollektenbasis). Alle können hier vorbeikommen, eigene Projekte ins Leben rufen oder an etwas anderem Mitarbeiten. Die Anstadt versucht weg zu kommen von einer Konsumlogik in jeder Hinsicht, hin zu gemeinsam gestaltetem Raum. Auf der öffentlichen Fläche gibt es verschiedenste langfristige und temporäre Projekte (die durch die geplante Überbauung gefährdet sind):

  • Das Vakuum: ein unkommerzieller (=gratis nutzbarer) Tanz- und Bewegungsraum; Geburtsstätte von unzähligen Tanz- und Theaterproduktionen (bspw. Theater der Heitere Fahne oder vom Zirkus Wunderplunder); Raum für Workshops und kulturelle Veranstaltungen; Genutzt von über 130 Veranstaltenden und mehreren tausend Nutzenden jährlich.
  • Spielplatz von und für Kinder und Erwachsene inkl. Rutschbahnen, Trampolin, Karussell, Riesenschaukel, Boulderblock
  • Gemeinschafts-Gemüsegarten, der von der Nachbarschaft geführt wird.
  • Holz & Metallwerkstatt inkl. Wagen Bauplätze
  • Gemeinschaftsküche und Pizzaofen, genutzt für Geburtstagsfeste, Küfa (Küche für alle), etc.
  • Das KRK: eine grosse Halle für Kunst, Kultur und Theater
  • Schlafplatzkollektiv Bern
  • Jugendwagen: Treffpunkt für Jugendliche aus der Region
  • Einmal jährlich wird ein grosses Fest veranstaltet mit jeweils 700 bis 1000 Besuchenden aus dem Quartier und der ganzen Stadt. 
  • Zirkus Chnopf: Während seinen Auftritten in Bern wohnt der Zirkus Chnopf mit über zehn Wagen bei uns, da die Stadt keinen geeigneten Raum zur Verfügung stellen kann, um, den Zirkus unterzubringen.

Auf der Wohnfläche der Anstadt wohnen ca. 40 Menschen, die sich in Plenumssitzungen und diversen Arbeitsgruppen gemeinsam organisieren und den gesamten Platz pflegen und mitgestalten. Hier wird eine der fortschrittlicheren Varianten der Demokratie gelebt und gelernt: Alle Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen.

Vor einigen Jahren schrieb die WOZ zum Thema „Es geht darum, dass genug Raum da ist, in und aus dem Leute aus der ganzen Bevölkerung ohne markwirtschaftlichen Zwang Öffentlichkeit gestalten, betreiben und nutzen können.“ und „Gebäude, in denen Menschen ohne viel Geld neue Sachen ausprobieren und spektakulär scheitern dürfen. In solchen Brachen erst keimt kreative Stadt- und Dorfentwicklung.» (https://www.woz.ch/1323/der-kampf-fuer-freiraum/angemessene-taktlosigkeit)

In dieser Zeit der sich verschärfenden Krisen scheint es uns wichtig, dass es Räume gibt, in denen kreative und neue Ideen und Konzepte der Stadtentwicklung entstehen können. Die alten führen in den Abgrund.

Ein weiterer WOZ Artikel widerlegt den Mythos “Wohnungsnot” der immer wieder als Pro-Argument für solche Überbauungen dient:
Enteignungen: «Die falschen Leute bauen die falschen Häuser» https://www.woz.ch/2318/enteignungen/die-falschen-leute-bauen-die-falschen-haeuser/!9HH3DX6XH78Y

Biodiversität

Auf dem Gelände der Anstadt existiert eine grosse Biodiversität inkl. einiger seltener und gefährdeter Arten. Diese Biodiversität ist weitgehend kompatibel mit der jetzigen Nutzung der Anstadt, bzw. wird sie durch die Nutzenden sogar gesteigert: So wurde ein Teich gegraben, unzählige lokale Stauden und Bäume gepflanzt, Nisthilfen für Vögel gebaut sowie eine Trockensteinmauer.

Um dies sichtbar zu machen, bewerben wir uns für die Biodiversitäts-Labels von Stadtgrün: „Biodiversitätsgarten“ und „Biodiversitätsnachbarschaft“.